niedriges präop Serumkreatinin als Prädiktor für po M&M

NSQIP Daten 2005-2020 1.8 Mio Pat. Niedriges Serumkreatinin war gar nicht so selten (war mir bislang nicht bewusst): 27,8 % der Männer und 23,5 % der Frauen zeigten ein niedriges präoperatives Serumkreatinin, bei 14,6 % traten Komplikationen auf und 1,2 % starben.
Im Vergleich zum Referenzkreatininwert (Männer 0,85-1,04 und Frauen 0,65-0,84) Serumkreatininwert ≤0,44:
Männer: 55 % erhöhtes Sterberisiko (aOR: 1,55; 95%CI: 1,29-1,86) und ein um 82 % erhöhtes Risiko für schwerwiegende Komplikationen (aOR: 1,82; 95%CI: 1,69-1,97).
Frauen: 49 % erhöhtes Sterberisiko (aOR: 1,49; 95%CI: 1,32-1,67) und ein um 76 % erhöhtes Risiko für schwerwiegende Komplikationen (aOR: 1,76; 95%CI: 1,70-1,83).

Loria A. et al. Low Preoperative Serum Creatinine is Common and Associated with Poor outcomes following Non-emergent Inpatient Surgery. Annals of Surgery 2022 ahead of print

Kommentar: niedriges Serumkreatinin = Sarkopenieparameter? (Muskelfunktion) oder eingeschränkte Leberfunktion (auch bekannt als präop Prädiktor)

Appendizitis

Ich habe schon seit langer Zeit die Meinung vertreten, dass es eine selbstheilende Appendizitis gibt, eine die antibiotisch behandelt werden kann und eine die operiert werden muss. Leider habe wir noch kein Werkzeug in der Hand, die uns die drei Gruppen unterscheiden lässt.

Die Möglichkeit eine unkomplizierte Appendizitis antibiotisch zu behandeln steht nach mehrfachen RCT (letzte Meta-Analyse Yang Z et al. BMC Surg. 2019;19:110) auch bei Kindern (letzte Meta-Analyse Podda M et al. Ann Surg 2019;270:e122-e123) außer Zweifel. Die These, dass es eine selbstheilende Appendizitis gibt, ergibt sich aus der Historie und aus 2 RCT. Die erste wurde von Park HC et al. BJS 2017;104:1785-90 bereits 2017 publiziert die jüngsten Ergebnisse der APPAC III Studie gerade eben. Man kann viel hin und her bei der Studie diskutieren, die geringe Fallzahl (N=72), auch wenn keine statistische Signifikanz zwischen ABX und Placebo zu finden war, so mussten in der Placebo Gruppe doch 2 von 27 Pat. wegen komplizierter Appendizitis innert von 10 Tagen appendektomiert werden, zeigt sie doch, dass es eben diese „Selbstheilung“ gibt.

Die Studie ist sauber durchgeführt, unkomplizierte Appendizitis mittels (low-dose) CT verifiziert. ABX: i.v. Ertapenem, gefolgt von oralem Levofloxacin und Metronidazol (optimale Therapie nach dem APPAC II trial, Sippola S et al. JAMA 2021;6;325:353-62). Primäre Endpunkt: Behandlungserfolg = Abheilung, die innerhalb von 10 Tagen zur Entlassung ohne Appendektomie führt; sekundäre Endpunkte waren Schmerzwerte, Komplikationen, Krankenhausaufenthalt und Rückkehr zur Arbeit.
Mai 2017 bis September 2020, N=72; Durchschnittsalter: 37,5 (11,1)a, fünf Krankenhäuser. Die 10-Tage-Behandlungserfolgsrate betrug 87% (95%CI: 75 – 99) für Placebo- und 97% (92 – 100) für die ABX-Gruppe. Dieser klinische Unterschied von 10 (90 Prozent c.i. -0,9 bis 21) Prozent war für den primären Endpunkt statistisch nicht unterschiedlich (1-seitiger P = 0,142), und die sekundären Endpunkte waren ähnlich.

Salminen P et al. Antibiotics versus placebo in adults with CT-confirmed uncomplicated acute appendicitis (APPAC III): randomized double-blind superiority trial. BJS 2022 ahead of print

Empfehlung des ACS zur Impfung

„The ACS has reviewed the safety and efficacy data submitted by Pfizer/BioNTech and strongly encourages surgeons to take the vaccine when available to them. Mild systemic side effects are very common with this two-dose vaccine (fatigue, injection site reactions, and fever) but serious adverse side effects were very rare. Doses will be dispensed to individual states, which will control local distribution.“

Dem ist nichts hinzuzufügen und wir alle stehen in der Pflicht

Guidelines zur Therapie der akuten Cholezystitis

Die Rolle der Chirurgie bestärkt, auch bei Hochrisikopatienten. Interessant ist, dass die perkutane Drainage trotz verbesserter Möglichkeiten, zunehmend an Bedeutung verliert.

Pisano M et al. 2020 World Society of Emergency Surgery updated guidelines for the diagnosis and treatment of acute calculus cholecystitis. World Journal of Emergency Surgery 2020;15: 61

LQ der konservativen Therapie der unkomplizierten Appendizitis

CRT, 1.551 Pat. (776 ABX), 25 US Zentren, in AE Gruppe 96% lapsk. ABX Therapie war nicht schlechter (non-inferiority Test) als AE in Bezug auf LQ.
gemessen mit EQ-5D: (European Quality of Life-5 Dimensions (EQ-5D) questionnaire (scores range from 0-1, higher scores indicating better health status; noninferiority margin, 0.05 points) 

ABER in der ABX Gruppe:
– 29% Therapieversager (AE innert 90 Tagen) = fast jeder 3.
– davon 41% der AE wegen Appendikolith
– höhere Komplikationsrate (8,1 vs 3.5%, 1,05; 95%CI: 0,45-2,43)
– SAE 4,0% vs 3,0% (1,29; 95%CI: 0,67-2,50)

Im wesentlichen wurden bislang kontrolliert erhobene Daten bestätigt inkl. der bekannten Therapieversagerrate im kurzfristigen Verlauf der ABX Therapie der unkomplizierten Appendizitis, die jeden 3. Pat. betrifft. Neu ist die Lebensqualität die bislang noch nicht kontrolliert erhoben wurde. Am grundsätzlichen Prozedere halten wir an der VTT fest. Pat. werden über die Alternative zur AE und über die Vor-und Nachteile im kurzfristigen, aber auch langfristigen Verlauf einer ABX Therapie aufgeklärt. Falls ein Appendikolith nachgewiesen wurde, stellt die konservative Therapie keine Alternative zur AE dar. Zudem legen alle vorliegenden Daten nahe, dass eine unkomplizierte Appendizitis unter ABX nicht sofort optiert werden muss.

Flum DR et al. A Randomized Trial Comparing Antibiotics with Appendectomy for Appendicitis. New England Journal of Medicine 2020

frühe enterale Ernährung nach MIE

NUTRIENT II trial, RCT, MIE (minimal Invasive Ösophagusresektion) 65 mit sofortiger enteraler Ernährung, 67 bis zum 5. POD nur paerenteral. Kein Unterschied in Anastomosendehiszenz 18,5% vs 16,4%, Pneumonie 25% vs 34%, einzige Signifikant häufiger in der Kontrollgruppe waren interessanterweise Chylusfisteln.

Es sollte eigentlich keine Diskussion mehr geben zur frühen enteralen Ernährung. Diese ist Teil des ERAS Konzeptes und wird an der VTT seit 2003 umgesetzt

Berkelmans GHK et al. Direct Oral Feeding Following Minimally Invasive Esophagectomy (NUTRIENT II trial): An International, Multicenter, Open-label Randomized Controlled Trial Annals of Surgery 2019 (ahead of pub)

Tendenz TEP leicht besser als Lichtenstein aber nicht signifikant

TEPLICH trial: CRT; N=202 TEP, 214 Lichtenstein, 30-75 Jahre, ASA I-II. Schmerzen nach einem Jahr (95% f-up): 6,9 % TEP, 9,8% Lichtenstein (P = 0,303). Tendenz bei ‚pain right now‘ hält an: 3,7% vs 5,9% Vorteile für TEP: Länge stat. Aufenthalt und OP-Dauer, Zeit bis Rekonvaleszenz, Fremdkörpergefühl, 30 Tage Komplikaiotnsrate, sensorische Empfindlichkeiten. Patientenzufriedenheit um 98% für beide und ebenfalls für beide niedrige Rezidivrate (1,6%)

An der VTT steigern wir die Rate an TEP zusehen, erstens wegen der tagesklinischen Versorgung und zweitens reduzierten wir in den letzten 3 Jahren die Aufenthaltsdauer um einen Tag.

Gutlic N et al. Randomized clinical trial comparing total extraperitoneal with Lichtenstein inguinal hernia repair (TEPLICH trial) British Journal of Surgery 2019;106:845-55

Zentralisierung im Gesundheitswesen

Interessenkonflikte haben viele Länder dazu veranlasst, Kompromisse für ein Gesundheitssystem einzugehen, das auf Faktoren beruht, die über die beste patientenorientierte Versorgung hinausgehen. Uneingeschränkte, rein „marktbestimmte“ Ansätze sind für Patienten und Gesellschaft nicht sinnvoll. Die Zentralisierung sollte nicht nur auf einer minimalen Anzahl von Verfahren beruhen, sondern auch auf der multidisziplinären Behandlung komplexer Krankheiten mit gut ausgebildeten Spezialisten, die rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Diesbezügliche Daten deuten mehrheitlich darauf hin, dass die Konzentration komplexer Pflege oder Verfahren in spezialisierten Zentren positive Auswirkungen auf die Qualität der Pflege und die Kosten hat. Geprüfte prospektive Datenbank mit Überwachung der Qualität der Versorgung und der Kosten sind obligatorisch meint ein Bericht von Experten (darunter aus Ö M Gnant, weiters Clavien, Rogiers, Kehlet, etc)

Vonlanthen R et al. Toward a Consensus on Centralization in Surgery. Ann Surg 2018