Neuerlich präsentierte Paty Daten aus dem Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York City von einer Beobachtung an 145 Patienten mit klinisch komplettem Response (cCR) nach komb.präop. Radiochemotherapie (RCTx) des tief sitzenden Rektumkarzinoms, wovon 73 aus verschiedenen Gründen, hauptsächlich aber aus Patientenwunsch nicht operiert wurden. Der komplette klinische Response (cCR) wurde nach 8-12 Wochen nach Ende der RCTx als unauffällige zarte, nicht vulnerable Narbe definiert, die in der digitalen Untersuchung weich und verschieblich ist. Eine fast idente Anzahl (N=72) mit gleichem klinischen Bild nach den Definitionen einer cCR wurde operiert und es zeiget sich ein pathologischer kompletter Response (pCR). Beim 2015 Gastrointestinal Cancers Symposium in San Francisco zeigte Paty die follow-up Daten. Das 4-Jahres overall survival ist 91% in der Beobachtungsgruppe und 95% in der OP-Gruppe. Lokoregionäre Rezidiv traten 9 und 5 mal auf. Das median follow-up beträgt nun 3,5 Jahre.
Ich habe vor 2 Jahren mit Paty darüber in Wien gesprochen. Damals war der Beobachtungszeitpunkt noch sehr kurz. Die doch recht hohe lokoregionäre Rezidivrate von fast 17% (9 aus 73) in der Beobachtung gegenüber knapp 7% (5 aus 72) ist zwar statistisch nicht signifikant, aber meiner Meinung nach klinisch relevant. Mir hat Dr. Paty damals zu verstehen gegeben, dass alle Rezidive mit einer Salvage-APE gut R0 resektabel waren und einige der Pat. mit LR auch Fernmets. boten. Darüber steht in diesem aktuellen Vortrag nichts. Das selbe gilt für die funktionellen Aspekte und die Lebensqualität. Auf die OP verzichten zu können heißt ja nicht automatisch bessere funktionelle Ergebnisse oder bessere Lebensqualität. Das wird aber von Unerfahrenen suggeriert. Ich denke zwar auch, dass ausgewählte Fälle, vor allem sehr kleine und tief sitzende Tumoren – und ich glaube tatsächlich, dass das Tumorvolumen eine Rolle spielt (ähnlich wie beim Analkarzinom – wir werden das einmal an Hand unserer Daten evaluieren müssen) mit cCR nach diesen strengen Kriterien nicht operiert werden müssen. Das soll aber auf keinen Fall breit in die Routine eingehen, sondern in der Hand von wenigen Experten, die sich ausschließlich mit dem tiefsitzenden Rektumkarzinom beschäftigen, bleiben. Es gibt zwar weitere untermauernde Untersuchungen, die aber bei weitem kritischer hinterfragt werden müssen, da die Definition des cCR nicht so exakt und eng gestellt wurde.
Paty et al. 2015 Gastrointestinal Cancers Symposium (GICS): Abstract #509
Habr-Gama A et al. Patterns of failure and survival for nonoperative treatment of stage c0 distal rectal cancer following neoadjuvant chemoradiation therapy. J Gastrointest Surg. 2006;10:1319-28
Maas M et al. Long-term outcome in patients with a pathological complete response after chemoradiation for rectal cancer: a pooled analysis of individual patient data. Lancet Oncol 2010;11:835-44