Zum Wert von Checklisten

Eine interessante Nachfolgeuntersuchung der PACT-Studie (priority, admissions, changes, task review) zeigt, dass durch Checklisten die Kommunikation verbessert und Fehler in der Übergabe (von einem Arzt auf den anderen) reduziert werden können. In der ersten Studie wurde gezeigt, dass Residents mehr Aufgaben in kürzerer Zeit und vollständiger lösten und bei der Morgen´viste mehr über die Patienten wussten als ohne Checklisten, obwohl diese Hauptsache unstrukturiert waren. Die neue Studie verglich nun eine strukturierte Checklist mit der in der PACT Studie verwendeten unstrukturierten. Signifikante Unterschiede ergaben sich im Zeitaufwand (15 vs 22 Min.), bei fehlerhaften Aufzeichnungen (0% vs 0,3%) und bei der Anzahl der Unterbrechungen (2 vs 4). In der Meinung der Residents in wie weit die Checkliste sie gegenüber der unstrukturierten Aufzeichnung der PACT Liste in der Kommunikation besser unterstützen würde, oder sie nun mehr über den Patienten wissen würden, ergaben sich keine Unterschiede.

Ich halte vor dem Hintergrund der Änderungen im KA-AZG und ARG sowie vor er Hintergrund des Nachwuchsmangels, vor allem in der Chirurgie, die Aufwertung und Verbesserung der Schnittstellen – vor allem in der Übergabe von Arzt zu Arzt, als absolut essentiell und vordringlich. Solche Checklisten können dabei helfen, wie die Studie zeigt und deswegen ist diese auch wichtig, aber alleine dabei kann es nicht bleiben. Wir bauen an der UK für Chirurgie Salzburg auf das dort implementierte auditfähige proprietäre Dokumentationssystem mit dem Chirurgischen Prozess- und Informationsmanagementsystem (CHIIPS), das für die Mitarbeiter nahtlos und fast unbemerkt im Hintergrund den alltäglichen „workflow“ unterstützt. Der mobile Einsatz, der uns derzeit noch fehlt soll mit Tablets erfolgen, bei denen auch „offline“ Daten eingesehen und erhoben werden können, die über WLAN an Orten „zu Hause“ (access points) also zum Beispiel auf Chir. Bettenstationen oder im Konferenzraum, der für uns die topographische Drehscheibe der Abläufe darstellt, automatisch an den Server geliefert werden.

Taplia N et al. Assessment and standardization of resident handoff practices: PACT project. Journal of Surgical Research 2013;184:71–7
Taplia N et al. American College of Surgeons (ACS) 2014 Clinical Congress 2014

7g% neuer Transfusionsstandard ?

In dieser RCT mit 998 septischen Intensivpatienten war das Studienziel die Mortalität innert 3 Monaten. diese war 43% bei einem HB Träger von 7g% und damit ident (P=0,44) mit der Mortalität von 45% bei einem höheren Wert von 9g%. Der niedrigere HB-Trigger von 7% ist sicher und der Transfusionsbedarf konnte aber halbiert werden (1545 vs. 3088 BKs; P<0,001). Dies ist auch ein Bestätigung einer Cochrane Review, die rezent publiziert wurde.

Langsam muss umgedacht werden. In Bezug auf die Studie beim gastrointestinalen Blutungen haben wir den Hb-Trigger an der UK für Chirurgie Salzburg schon auf 7g% gesetzt. Dieses Vorgehen sollte fortgesetzt und auf andere Bereiche umgelegt werden. Was zudem wenig bekannt ist, ist die Tatsache, dass alle Fachgesellschaften Österreichs eine Empfehlung der Dusch Bundesärztekammer (http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Querschnittsleitlinie_Gesamtdokument-deutsch_07032011.pdf) unterstützen, die einen fast noch radikalere Werte (6g% bei fehlendem Risiko) festsetzt (http://www.oeglmkc.at/labor/Empfehlung%20POBM%20062013.pdf). Blut ist ein kostbares Gut, leider sehr emotionell belegt (der Begriff Blutbad kommt von der Gepflogenheit Pharaonen in Blut zu gebadet um sei von der Lepra zu heilen) und jede Klinik sollte zumindest für sich einen Hb-Trigger, ab wann transzendiert wird festlegen. Ohne Patient Blood Management (PBM), das auf 3 Säulen beruht ([1]Optimierung des Erythrozytenvolumens [2] Minimierung von Blutung und Blutverlust [3]Erhöhung und Ausschöpfung der Anämietoleranz) ist ein moderne Medizin nicht umsetzbar.

Holst LB et al. Lower Versus Higher Hemoglobin Threshold for Transfusion in Septic Shock. N Engl J Med. 2014;371:1381-91
Villanueva C et al. Transfusion for acute upper gastrointestinal bleeding. N Engl J Med 2013;368:11-21

Carson JL et al. Transfusion thresholds and other strategies for guiding allogeneic red blood cell transfusion. Cochrane Database Syst Rev. 2012;4:CD002042

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Die Welt der Infographiken

Infographiken sind modern und haben ihren Charme. Leider sind Sie im Bereich der Medizin oder gar Chirurgie nicht sehr verbreitet, könnten aber doch einen guten Beitrag zur Informationsweitergabe leisten. Anbei ein paar Beispiele aus den Parallelwelten zur Medizin. Was denken die jungen ChirurgenInnen? Wäre das eine Alternative zu den Posters beim übernächsten Chirurgenkongress 2016 in Salzburg ?

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Hämangiome der Leber

40% der Hämangiome der Leber wachsen über die Zeit und zwar 2mm im Durchmesser pro Jahr.

Hasan HY et al. Assessing Normal Growth of Hepatic Hemangiomas During Long-term Follow-up. JAMA Surg. Published online October 15, 2014

Antibiotikaprophylaxe vor dem Hautschnitt

Dies ist die erste große Studien (fast 37.000 Pat. mit nicht herzchir. Eingriffen) die den Zusammenhang von antibiotischer Prophylaxe und SSI und den Zeitpunkt der Verabreichung in Relation zum Hautschnitt als kontinuierliche Variabel und nicht wie bei allen vorherigen Studien mit arbiträren Zeitintervallen untersucht. Dabei zeigt sich, dass das Auftraten der SSI von Patienten- und Eingriffsfaktoren abhängt und nicht vom Zeitpunkt der Verabreichung der Antibiotika. Allerdings ist die Gabe 30 Minuten vor Hautschnitt v.a. bei kolorektalen Eingriffen die günstigste, aber auch kurz vor dem Hautschnitt, sogar auch noch danach vertretbar.

An der UK für Chirurgie wird die antibiotische Prophylaxe nach Narkoseeinleitung verabreicht, also immer vor dem Hautschnitt. Es vergehen damit auch meist 15 bis 30 Minuten bis zum Hautschnitt. Das ist auch von der Logistik her der günstigste Zeitpunkt und wird im „time out“ mit der WHO-Checkliste auch abgefragt. Sollte es zu diesem Zeitpunkt wirklich ein Mal vergessen worden sein, erwächst dem Patienten kein Nachteil, wenn die Antibiotika erst dann verabreicht werden. Mit dieser Arbeit ist endgültig widerlegt, dass die Prophylaxe noch auf der Station eine Stunde vor dem Hautschnitt zu verabreichen ist.

Hawn MT et al. Timing of Surgical Antibiotic Prophylaxis and the Risk of Surgical Site Infection. JAMA Surg. 2013;148:649-57

Subtypisierung der IPNM – Vorsicht vor dem pankreatobiliären Typ

103 operierte IPMN (Pankreaskopfresektion 75%, Linksresektion 15% Pankreatektomie 5%, Segmentresektion 5%) über einen Zeitraum von 15 Jahren wurden nach intestinalem (44%), pankreatobiliärem (40%), gastrischem (12%) und oncocytärem Typ (4%) histomorphologisch nach dem Typ des produzierten Schleim (MUC1, MUC2, und MUC5AC) eingeteilt. Der pankreatobiliäre Typ war mit dem schlechtesten Überleben assoziiert (OS@5y: 35,6% vs. intestinal 86,6%; P < 0,001). Der pankreatobiliäre Typ war zudem häufiger mit invasivem Karzinom und Rezidiv verknüpft und hatte eine mit dem duktalen Adenokarzinom des Pankreas vergleichbare Prognose.

Große Serie an IPMN. Dies Subtypisierung sollte wohl aufgegriffen werden, vor allem um eine bessere Stratifizierung in Bezug auf eine adjuvante Therapie oder OP-Indikation auch in Bezug zum Resektionsausmass, z.B. Pankreatektomie, was doch erheblicher die Lebensqualität beeinflusst, zu haben. Unklar bleibt wie weit die Ergebnisse zwischen Untersuchern reproduzierbar sind und wie aufwändig diese MUC Bestimmung ist. Hier wäre ein Kommentar von Pathologinnen gewünscht. Wir haben jedenfalls an der UK für Chirurgie diese Subtypisierung bislang nicht gefordert. Zudem ist eine zu unserem Vorgehen geringe Rate an Segmentresektionen auffällig (5% vs 34% an der UK für Chirurgie Salzburg).

Distler M et al. Pathohistological subtype predicts survival in patients with intraductal papillary mucinous neoplasm (IPMN) of the pancreas. Ann Surg 2013;258:324-30

Schon was vom Nocebo Effekt gehört?

Placebo-Effekt: Reaktion auf ein medizinisches Präparat, das ohne spezielle Wirkung einen Vorteil für den Patienten bringt (placebo … ich werde gefallen)
Nocebo-Effekt: Reaktion auf ein medizinisches Präparat, das ohne spezielle Wirkung nachteilig für den Patienten ist (nocebo … ich werde schaden)

Im Skriptum für Chirurgie (http://www.salzburg-chirurgie.at/de/fortbildung-chirurgie-salzburg) auf Seite 47 beschrieben

Lesenswerter Artikel im Handelsblatt
http://www.handelsblatt.com/technologie/forschung-medizin/medizin/nocebo-effekt-wenn-der-beipackzettel-krank-macht/8180254.html

Probleme über Probleme in der Chirurgie

Interessanter Artikel in der FAZ, der auch für uns in Ö gilt.

Sehr lesenswert! Nicht nur für Manager im Gesundheitswesen, Politiker, Mediziner und ChirurgInnen, sondern auch für alle, die sich um ihre Gesundheit Gedanken machen. Danke an J. Hutter für den Tip.

http://www.faz.net/aktuell/wissen/medizin/chirurgen-unter-druck-in-die-pause-gezwungen-13192242.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

lap. Appendektomie bei Kindern

In der Kínderchirurgie wird diskutiert inwieweit ein laparoskopisches Vorgehen mit organbezogenen Infektionen (Grad 3 der SSI = OSI, also perityphlitisches Infiltrat, intraabd. (Schlingen-)Abszess) assoziiert ist. Diese Studie dem die Datenbank des American College of Surgeons Pediatric National Surgical Quality Improvement Program (NSQIP) zu Grunde liegt, zeigt an 5027 Kindern & Jugendlichen zwischen 2 und 18 Jahren, dass nicht das chirurgische Vorgehen (konventionell vs. laparoskopisch) der entscheidende Faktor für eine OSI ist, sondern der Schwergrad der Appendizitis.

Das ist sehr leicht nachvollziehbar und wohl auf Erwachsene übertragbar. An der UK für Chirurgie Salzburg werden > 90% der Appendektomien laparoskopisch durchgeführt. Die SSI-Rate beträgt 3,6%, die OSI 0,9% (kontrollierte auditierte Aufzeichnungen seit 1.1.2012). In der angegebenen Studie waren es 5,2% OSIs.

Kelly KN et al. Disease Severity, Not Operative Approach, Drives Organ Space Infection After Pediatric Appendectomy. Annals of Surgery. 2014;260:466-73