Postoperative Mortalität in Europa

… und Österreich ist bei dieser Untersuchung nicht dabei

Die postop. Mortalität im Vereinigten Königreich wurde als Referenz hergenommen. Angeführt von Finnland haben Patienten in Island, Norwegen, Schweden, Estland, Niederlande, Zypern, Deutschland und in der Schweiz eine statistisch nicht signifikante aber günstigere Überlebenswahrscheinlichkeit, in allen anderen Länder eine schlechtere. Schlusslicht ist Polen, wobei Irland, Lettland und Rumänien gemeinsam mit  Polen signifikant  schlechtere Ergebnisse gegenüber dem UK aufweist. Österreich habe ich in dieser Aufstellung von 30 europäischen Ländern nicht gefunden. Warum?

Pearse RM, Moreno RP, Bauer, P, et al. Mortality After Surgery in Europe: A 7 Day Cohort Study Lancet. 2012;380:1059-1065

Die Top-10 Gefahren medizinischer/chirurgischer Behandlungen

  • Alarm Hazards: Fast alle medizinischen Geräte sind mit Alarmvorrichtungen ausgestattet. Dadurch „piepst“ es zu oft und der Sinn solcher Einrichtungen geht verloren
  • Falsche Dosierung durch Infusionspumpen: laut FDA die Vorrichtung mit der höchsten Gefahr. In den Staaten sind zwischen 2005 und 2009 mehr als 700 Todesfälle auf „falsche Programmierung“ von Infusionspumpen zurückzuführen.
  • Unnötige Röntgenuntersuchungen: alt bekanntes Problem, v.a. CT-Untersuchungen. Mit der Anzahl der unnötigen Röntgenuntersuchungen steigt auch die Gefahr einer „Verbrennung“, die zwar selten vorkommt, aber immer noch zu häufig. Ich verlange von jedem Mitarbeiter, der Untersuchungen veranlasst, dass ihm/ihr bewusst ist was von dieser Untersuchungsmethode zu verlangen/erwarten ist und ob sich eine klinische Konsequenz daraus ergibt. Dies ist auch zentrales Thema meiner Vorlesungen. 
  • Fehler im Datenmanagement: Falscheintragungen in Krankenhausinformationssystemen (KIS), Übertragung von Fehler über die Zeit von einer Krankenakte auf die andere, falsche Zuordnung der Daten, etc. etc. Ich mache die Beobachtung, dass konsistent um die 10% aller dokumentierten medizinischen Daten falsch oder nicht ganz richtig sind.
  • Schnittstellen zwischen medizinischen Geräten: Dies war zwar kein führendes Thema im Rahmen unseres Riskaudits an der UK für Chirurgie vor 2 Jahren, hat uns aber doch die Augen für diese Fehlerquelle vor allem im OP geöffnet.
  • Luftembolie: Zwar selten, aber schwerwiegend, da in den allermeisten Fällen letal.
  • Techniken die für Erwachsene entwickelt wurden, werden bei Kindern angewandt.
  • Kontaminierte endoskopische und chirurgische Instrumente. Gerade bei der Aufbereitung endoskopischer Instrumente herrscht in den deutschsprachigen Ländern Europas eine sehr hohe Qualität. Dies gilt natürlich im gleichen Mass für die chirurgischen Instrumente. Wir haben zusätzlich noch eigene Richtlinien bei bestimmten Erkrankungen, z.b. bei der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit.
  • Piepser, DECT-Telefon, Smartphones, etc.: Eine hohe Fehlerquelle stellen die Verwendung dieser Kommunikationstechniken bei der klinischen Arbeit, vor allem im OP und wenn sie für nicht-medizinische (=private) Gründe eingesetzt werden, dar. Im OP herrscht an der UK für Chirurgie ein „Handyverbot“.
  • Verbrennungen im OP: In den Staaten 600 Fälle pro Jahr. Wir haben auf neue Matten, statt auf Klebeelektroden umgestellt, bei denen diese Verbrennungen physikalisch nicht möglich sind.

An der UK für Chirurgie sind 4 Mitarbeiter als Risk-Manager ausgebildet.

http://www.aami.org/publications/summits/AAMI_FDA_Summit_Report.pdf

Smith T, Darling E, Searles B. 2010 survey on cell phone use while performing cardiopulmonary bypass. Perfusion. 2011;26:375-380.

ECRI Institute. Top 10 health technology hazards for 2012. Health Devices. 2011;40

Ungeplante Wiederaufnahme

Die ungeplante Wiederaufnahme innert 30 Tagen nach Entlassung ist eines der größeren Probeleme in den Staaten und wurde beim Amerikanischen Chirurgen Kongress 2012 heftig diskutiert. Es stellte sich heraus, dass nicht chirurgische Probleme, wie Wundinfektionen oder Nachblutungen als Ursache erkannt wurden, sondern fehlende nicht durchgehende allgemeine u/o medizinischen Betreuung zu Hause und allgemeinmedizinischen Erkrankungen. Viele Krankenanstalten reagieren mit systematischer telefonischer Kontrollanrufe um vor allem auch die Kosten zu reduzieren. Diese Kostenfrage spiegelt sich in der rezenten Arbeit wieder. Eine Kontrollinstanz, die Affordable Care Act (ACA), versucht diese Problematik in den Griff zu bekommen. Die Versicherungen brummen nämlich Krankenanstalten mit hohen Wiederaufnahmen, das sind vor allem größere und Lehrkrankenhäuser, ganz schön saftige Pönale auf.
An der UK für Chirurgie liegt die aktuelle und validierte Wiederaufnahmerate 2012 bei sehr niedrigen 2,09% und befindet sich damit weit unter den in den Staaten berichteten Werten. Der mittlere stationäre Aufenthalt liegt bei uns bei 3,65 Tagen und das bei einer Chirurgie der tertiären (=maxinmalen) Versorgung, womit das Argument des längeren stationären Aufenthaltes entkräftet werden kann. Vielmehr und offensichtlich ist der niedergelassene Bereich bei uns deutlich effizienter und „fängt“ die entlassenen Patienten besser auf. Zudem glaube ich, dass auch die Kommunikation zwischen unserer Chirurgie und den Hausärzten/Allgemeinmedizinern gut funktioniert.

Karen E. Joynt, Ashish K. Jha
Characteristics of Hospitals Receiving Penalties Under the Hospital Readmissions Reduction Program
JAMA. 2013;309(4):342-343

Multiple Kolonadenome

Multiple Kolonadenome basieren auf einer (Keimbahn)Mutation des APC Gens oder auf eine MUTYH-Mutation. Die Klinik unterscheidet zwischen klassischer Polypose (die auch angeboren sein kann = familiäre Poylpose [FAP]) und definiert ist als >100 Polypen und der attenuierten Form (22-99 Polypen). Diese Arbeit untersuchte 8676 Patienten mit 22 bis > 1000 Kolonpolypen. Die Ergebnisse:
1. Die APC-Mutation steigt mit zunehmender Polypenanzahl.
2. die MUTYH Mutation ist unabhängig von der Polypenanzahl und selten
.
Die Ergebnisse in Zahlen: Bei >1000 Polypen betrug sie 80% und die biallelische MUTYH-Mutation 2%; bei 100-999 Polypen 57% respektive 7%, bei 20-99 Polypen 10% respektive 7%, bei 10-19 Polypen 5% respektive 4%.

Grover S, Kastrinos F, Steyerberg EW, Cook EF, Dewanwala A, Burbidge LA, Wenstrup RJ, Syngal S.
Prevalence and phenotypes of APC and MUTYH mutations in patients with multiple colorectal adenomas.
JAMA. 2012 Aug 1;308(5):485-92

Krebstodesfälle weiterhin fallend

Daten der American Cancer Society (ACS) zeigen, dass die Krebs-Todesfälle seit einem Gipfel um 1991 um 20% gefallen sind. Besonders das Lungen-, Brustdrüsen-, Kolon und Rektum- und Prostatakarzinom sind übermäßig davon betroffen.
Cancer Facts & Figures 2013
R. Siegel, D. Naishadham, A. Jemal. Cancer statistics 2013. CA: A Cancer Journal for Clinicians 2013 online http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.3322/caac.21166/abstract

Check-Listen im OP bei plötzlichen Notfällen

Auch bei plötzlich auftretenden Notfallsituationen im OP wie Herzstillstand oder Massenblutung könnten Checklisten hilfreich sein.

Arriaga AF, Bader AM, Wong JM, Lipsitz SR, Berry WR, Ziewacz JE, Hepner DL, Boorman DJ, Pozner CN, Smink DS, Gawande AA.
Simulation-based trial of surgical-crisis checklists.
N Engl J Med. 2013 368(3):246-53

Meinungsverschiedenheit zwischen Chirurgen und Intensivmedizinern

Dass es immer wieder unterschiedliche Vorstellungen über die postoperativen Ziele vor allem bei Patienten mit schlechter Prognose gibt ist im klinischen Alltag eine Tatsache. Diese rezente Studie zeigt, dass etwas über 40% der befragten ChirurgenInnen Konflikte mit Intensivmedizinern, aber auch mit der Pflege haben, wenn es darum geht das weitere postop. Prozedere und die darin enthaltenden Ziele festzulegen. Die Häufigkeit von Meinungsverschiedenheiten hängt vom Grad der Erfahrung ab.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese Konflikte meist dann entstehen, wenn von intensivmedizinischer Seite unmittelbar nach der Operation die Therapie auf Grund der schlechten Prognose des Patienten entweder nicht erweitert oder sogar reduziert werden soll. Es muss den Intensivmedizinern klar sein, dass ChirurgInnen oft auch eine gewisse Zeit eingeräumt werden muss, damit er/sie seine/ihre Entscheidung auch überdenken kann. Denn eines darf man nicht vergessen, meist wurde von chirurgischer Seite viel in den Patienten an Zeit, Überlegungen und Aufwand investiert. Davon kann man sich nicht in 10 Minuten danach lösen. Die Chirurgen „hängen“ an ihrer Arbeit! Gott sei Dank ist das so. Es hat sich bei uns bewährt, dass wir dies berücksichtigen. Ein weiterer Grund für Meinungsverschiedenheiten, der zunehmend in den Hintergrund tritt, ist das postoperative Flüssigkeitsmanagement. Hier gibt es eindeutig einen Sinneswandel bei den Intensivmedizinern, der auch den Vorstellungen der Chirurgen näher kommt.

Fast alle Konflikte können aber gemeinsam gelöst werden, wenn ein entsprechendes Klima aber auch entsprechende Expertise auf beiden Seiten vorkommt.

Olson TJP et al. Surgeon-reported conflict with intensivists about postoperative goals of care. JAMA Surgery (früher Arch Surg) 2013;148:29-35

Muschelkleber für Chirurgen

Miesmuscheln produzieren ein klebriges Sekret, mit dem sie sich unter Wasser an Steine und Holz, aber auch an Schiffsrümpfe und Rohrleitungen heften. Einen chirurgischen Kleber nach diesem Vorbild haben amerikanische Chemiker entwickelt. Auf eine Wunde gegeben, verschließt er diese zuverlässig, stillt die Blutung und wird bei der Wundheilung vom Körper abgebaut.

Scienceticker – tagesaktuelle Nachrichten aus Wissenschaft und Technik – By Meinke on 11.01.2013

Ab welchem Alter ist Screening nicht mehr sinnvoll?

Screening für Brust- und Dickdarmkrebs ist sinnvoll bei Patienten mit einer Lebenserwartung von mehr als 10 Jahren.
Sei J Lee, W John Boscardin, Irena Stijacic-Cenzer, Jessamyn Conell-Price, Louise C Walter 
Time lag to benefit after screening for breast and colorectal cancer: meta-analysis of survival data from the United States, Sweden, United Kingdom, and Denmark
BMJ 2013; 34